Das Bild „Hälfte“ zeigt einen in der Hälfte durchgesägten Tierkörper auf dem Menschen sitzen, die sich von dem Fleisch ernähren. Sie tragen Trainingsanzüge, deren Schatten wiederum Tierbilder werfen. Auf der zwei mal drei Meter großen Plane „Fleisch I“ ist ein friedlich ruhender Hund zu sehen, dessen Hinterteil sauber abgesägt wurde. Es ist die Verbildlichung einer Tierschutzgesetzgebung, die in Haus- und Nutztiere buchstäblich chirurgisch trennt und den verantwortungsvollen Umgang mit Tieren ad absurdum führt.
Der Künstler Hartmut Kiewert zeigte vom 14. bis 17. Oktober 2010 in Halle an der Saale Malereien und Grafiken zum Thema Fleisch und Herrschaft. Die Ausstellung erfolgte im „Hühnermanhattan“ und wurde durch ein täglich wechselndes Rahmenprogramm ergänzt.
Die ausgestellten Exponate kritisieren eine Tier-Mensch-Beziehung, die von industrieller Tierausbeutung geprägt ist und eine Verdinglichung von Tieren zu willkürlich formbaren Objekten nach menschlichem Ermessen zulässt. Tiere sind überwiegend als Fleisch zu sehen, ohne Ekel hervorzurufen. Vielmehr üben die Bilder eine Kälte aus, deren Plastizität ästhetisch ansprechend ist. Dies macht den Reiz aus, dass nicht-menschliche Lebewesen gleichsam als Produkte dargestellt werden und sie ihrer Tierhaftigkeit dadurch entledigt werden, aber durch diese angebliche kulturelle Leistung den Menschen zu einem Erschrecken und Wiedererkennen zwingen. Es sind Bilder, die eine Wahrheit über die Grausamkeit im Umgang mit Tieren offenbaren, ohne anzuklagen, ohne aufzufordern.
Das „Hühnermanhattan“ erwies sich trotz seiner abgeschiedenen Lage als wirkungsvoller Ausstellungsort. Die überwiegend großformatigen, mit Öl gemalten Exponate kamen in den ehemaligen Fabrikräumen gut zur Geltung. BesucherInnen fanden hauptsächlich abends den Weg dorthin, um am Rahmenprogramm teilzunehmen. Am Freitag stellte Lou Marin das im Verlag Graswurzelrevolution neu erschienene Buch „Das Schlachten beenden!“ vor. Den Samstag beschloss die antispeciesist action halle mit einer Diskussion zum Thema Tierversuche. Zur Finissage am Sonntag stellte sich der Künstler der Vegetariergruppe Halle und allen anderen Interessierten zu einem vertiefenden Gespräch über seine Arbeiten und persönlichen Hintergründe zur Verfügung. Dabei wurden viele Aspekte von Veganismus, Ökologie und Tierausbeutung einem interessierten Publikum vorgetragen.
Hartmut Kiewert hat Anfang 2010 sein Diplom in Malerei und Grafik an der Burg Giebichenstein mit Auszeichnung abgelegt und bereits mehrere Ausstellungen vorzuweisen.
Im Mai 2011 ist eine weitere Ausstellung in Magdeburg geplant. Auf der Homepage des Künstlers sind fast alle Arbeiten zu sehen. Zudem kann man sich seine lesenswerte Diplomarbeit „Die Mensch-Tier-Beziehung aus herrschaftskritischer Perspektive“ kostenfrei runterladen. Sie gibt einen aktuellen Überblick über Tierrechtstheorie und erklärt sein ästhetisches und emanzipatorisches Konzept aus einer anarchistischen Perspektive.
Tomas Cabi
[der Text ist im Tierrechtsmagazin “Tierbefreiung”, Heft 69 abgedruckt]